Wir von der Redaktion haben uns diese Vorweihnachtszeit etwas ganz Besonderes ausgedacht. Nachdem in den letzten drei Wochen bereits „Rock ’n’ Weihnachtsmarkt“, „X-Mas im Heartbreak Motel“ und „Mit Schwung in die Weihnachtszeit“ erschienen sind, folgt hier die vierte und letzte Weihnachtsgeschichte von uns. Freut euch auf einen ganz persönlichen Einblick in die Weihnachtsferien einer aufstrebenden Indie-Künstlerin.
Driving Home for Christmas
Es war kurz nach sechs, als der Wecker klingelte, und ich versuchte, mich selbst zu überreden, nicht auf „Schlummern“ zu drücken und noch ein wenig weiter zu dösen. Ich blickte aus dem Fenster, und es war noch dunkler, als ich erwartet hatte. Frühes Aufstehen und ich – was soll ich sagen? Aber immerhin hatte ich es aus dem Bett geschafft, denn meinen Zug nach Hause zu meiner Familie durfte ich auf keinen Fall verpassen! Mühsam quälte ich mich ins Bad, und es war schon jetzt klar: Für einen Kaffee würde es nicht mehr reichen. „Toll, Eva, wirklich super Zeitmanagement, mal wieder!“, dachte ich mir und beeilte mich. Kaum hatte ich die Wohnung verlassen, wusste ich wieder, warum ich es so sehr hasste, im Winter früh aufzustehen. Die wohlige Wärme, die ich aus dem Bett mitgenommen hatte, war längst verflogen. Die eisige Luft biss mir ins Gesicht, während ich mit bibbernden Knien zum Bahnhof eilte. Trotzdem war da ein Funken Vorfreude – Weihnachten. Endlich würde ich meine Familie wiedersehen. Es war die einzige Zeit im Jahr, in der wir wirklich alle zusammenkamen und Zeit füreinander hatten. Mein Leben in Wien, Stunden entfernt, würde für ein paar Tage pausieren und ich freute mich auf gemütliche Familienzeit, leckeres Gebäck und ganz viel Musik – genau das, was ich jetzt brauchte.
Im Zug angekommen, ergatterte ich mir einen Platz am Fenster, schälte mich aus meinem Mantel und hoffte auf ein Gefühl der Entspannung. Doch ehrlich gesagt fühlte ich mich dieses Jahr so wenig „weihnachtlich“ wie noch nie. Ich dachte an all die Sorgen, die mich in den letzten Monaten begleitet hatten, und an die stressigen letzten Tage. Meine Musikkarriere schien endgültig auf der Kippe zu stehen. Nächte voller Songwriting, stundenlange Studioaufnahmen und die ständigen Zweifel, ob meine Texte und Melodien überhaupt noch Gehör finden würden, hatte ich hinter mir. Eigentlich wartete ich nur noch auf den Anruf meiner Managerin. „Ich kontaktiere dich kurz nach den Feiertagen, dann besprechen wir, wie es im neuen Jahr weitergeht“, hatte sie gesagt, während ich nur stumm war und Böses ahnte. Während der Zug durch die nebelverhangene Landschaft ratterte, scrollte ich auf meinem Handy durch meine Social-Media-Profile. Meine letzte Veröffentlichung, ein kleines Indie-Weihnachtslied namens „Home for the Holidays“, hatte kaum Beachtung gefunden. Ein paar Streams hier und da, ein paar Likes von Freunden. Es schien, als hätte die Musikwelt einfach keinen Platz mehr für mich. Ich seufzte tief und schloss die Augen.
O Tannenbaum
Mehrere Stunden später, zu Hause angekommen, begrüßten mich meine Eltern herzlich und meine beiden jüngeren Brüder stürmten mit offenen Armen auf mich zu. Ich hatte die beiden so vermisst. Der Duft von Tannenzweigen erfüllte das Haus, und das Gefühl von Weihnachten war quasi zum Greifen nahe. Trotzdem war da dieser Knoten in meiner Brust.
Als wir später am Abend zusammen im Wohnzimmer saßen, glitzerten die Lichter des Weihnachtsbaums, und es war alles bereit für Heiligabend! Meine Mutter hatte mich sogar überredet, die alte Gitarre herauszuholen. „Spiel doch irgendetwas Neues von dir, Eva“, sagte sie, während meine beiden Brüder begeistert nickten. Zögernd stimmte ich „Home for the Holidays“ an. Meine Stimme zitterte erst ein wenig, doch als ich den Refrain erreichte, spürte ich eine Vertrautheit und Wärme, die ich lange vermisst hatte. Meine Familie grinste mich breit an und mein kleiner Bruder flüsterte mir leise ins Ohr: „Du bist die tollste Sängerin der Welt, Eva!“ Mein Lachen war jedoch ein wenig gezeichnet von Bedauern. Vielleicht sollte ich langsam ehrlich mit ihnen sein, was meine Musikkarriere betraf.
All I Want for Christmas…
Am nächsten Morgen, dem 24. Dezember, wurde ich von dem vibrieren meines Handys geweckt. Schlaftrunken griff ich danach und entdeckte Nachrichten – Hunderte – Tausende! Mein Weihnachtssong wurde plötzlich auf Spotify tausendfach gestreamt. Irgendjemand hatte ein Video davon auf TikTok hochgeladen – ein einfacher Mitschnitt von mir, wie ich im Wohnzimmer saß und spielte. Nein, das kann nicht sein, dachte ich mir, immer noch im Halbschlaf! Aber da kam es mir: Seitdem meine beiden Brüder ihr erstes Handy bekommen hatten, teilten sie ständig alles sofort online und filmten ununterbrochen für ihre Stories. Menschen aus der ganzen Welt hatten den Song gestreamt. Ungläubig scrollte ich weiter. Mein Herz raste. Über Nacht hatte der Song eine Reichweite gewonnen, die ich nicht erwartet hatte. Ein großes Label hatte mir bereits eine Nachricht geschickt, und meine Managerin schien auch mehrfach angerufen zu haben. Ich konnte es kaum fassen und sprang aus dem Bett. Meine Familie hörte ich im Wohnzimmer am Frühstückstisch ausgelassen miteinander reden. Wortlos ging ich zu meinen Brüdern und umarmte sie ganz fest. Die beiden hatten ja keine Ahnung, wie sehr mich ihr Video gerettet hatte! Das war das schönste Geschenk, das ich mir dieses Jahr hätte wünschen können. Ich freute mich so sehr, die restlichen Tage mit meiner Familie genießen zu können, ohne mir Sorgen um meine Zukunft machen zu müssen!
Nach der allerletzten Weihnachtsgeschichte wünschen wir euch allen wundervolle Feiertage und hoffen, dass wir euch die Adventszeit mit unseren Geschichten ein bisschen versüßen konnten! Falls ihr noch ein Last-Minute-Geschenk braucht, bevor es endlich „Merry Christmas“ heißt, schaut euch auf unserem Portal um! Und wenn ihr auch sonst nichts verpassen wollt und euch für die ersten Events in 2025 Inspiration holen wollt, folgt uns auf Instagram und Facebook!