Artist of the month: CONNY im Interview

Dass es in der Rapszene nur um gängige Geschlechterklischees und überbordende Männlichkeit gehen muss, ist mittlerweile selbst ein Klischee. Durch sein Talent für literarisches Schreiben zeigt der Ausnahmekünstler CONNY, dass Rapmusik auch anders sein kann. Als erklärter Feminist behandelt der Rapper aus Köln in seinen Songs polarisierende gesellschaftliche Themen von Geschlechterrollen über Depressionen bis hin zur Kapitalismuskritik

Nachdem uns die Berliner Singer-Songwriterin MULAY mit einem Interview geehrt hatte, durften wir vor Kurzem ein Gespräch mit unserem nächsten „Artist of the Month“ CONNY führen.

Herzlichen Glückwunsch zum Release von „Manic Pixie Dream Boy, Vol. 2“! Könntest du uns verraten, was uns auf dem neuen Album erwartet und was der Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Teil ist?


Wie auch schon auf dem ersten Teil von Manic Pixie Dream Boy (MPDB) werden auf Teil Zwei Männlichkeit, Geschlechterrollen und Kapitalismus verhandelt. Auf dem neuen Album geht es vor allem um die dunklen, heute häufig als „toxisch“ bezeichneten Facetten von Männlichkeit: Gewalt gegen sich selbst und andere, unterdrückte Emotionen und Depressionen. Dieser Wechsel steht im Fokus und ist auch in der Figur des Dream Boys selbst sichtbar: Die bunten Farben sind einer dunklen Welt, „bösewicht-blonden“ Haaren und manisch bekritzelten Armen und Hals gewichen.

„Manic Pixie Dream Girl“ ist ein Begriff aus der Medientheorie. Er beschreibt eine weibliche Figur in Filmen, deren Rolle es ist, den männlichen Protagonisten vor sich selbst zu retten. Du hast deine Albumtrilogie „Manic Pixie Dream Boy“ benannt. Wieso hast du dich für diesen Titel entschieden und was steckt dahinter?


Ich fand es spannend, so einen Begriff zu nehmen und meine Hörer:innen auf diesem Weg quasi zu zwingen, sich damit auseinanderzusetzen. Begriffe wie diese helfen uns, die Medien, die wir jeden Tag häufig nur halb-bewusst konsumieren, besser einzuordnen und zu verstehen. Darüber hinaus muss ich sagen, dass ich den Begriff einfach wahnsinnig bildlich und spannend finde. Man kommt schwer um ihn herum, ohne ihn zu hinterfragen – perfekt für einen Album-Titel.

Deine Texte stellen einen poetischen Sarkasmus bzw. eine gesellschaftliche Kritik dar. Du schreibst gerne über entscheidende Themen, die in der Gesellschaft gerade sehr polarisieren. Wieso liegen dir diese Themen am Herzen und was möchtest du damit erreichen?


Mir persönlich fehlen vor allem männliche Stimmen in der aktuellen Popmusik, die sich ganz bewusst politisch positionieren. Es wird viel Gesellschaftskritik von weiblichen, PoC oder queeren Künstler:innen geübt, aber – zumindest in meiner Wahrnehmung – nur die allerwenigsten Männer trauen sich, die Worte „Feminismus“ oder „Patriarchat“ in den Mund zu nehmen, obwohl die feministische Bewegung seit einigen Jahren immer stärker in den Mainstream drängt. Warum ist das so? Anhand meiner ganz persönlichen Auseinandersetzung mit diesen Themen versuche ich, eine männliche Stimme in diesem Diskurs zu sein.

Leider herrscht auch heutzutage in der Rapmusik ein gängiges Geschlechterklischee, bei dem Männer als harte, coole und selbstbewusste Typen auftreten. Inwieweit versuchst du, mit diesen Klischees zu brechen und ein neues Bild zu erschaffen?


Aus meiner Sicht kann ein solches Aufbrechen vor allem dann funktionieren, wenn ich auf eine authentische Art und Weise mein ganz persönliches Scheitern an diesen Geschlechterklischees sichtbar mache. Wenn vor allem auch meine männlichen Hörer sagen können: „Stimmt, dieses Gefühl hatte ich auch schon, aber ich konnte es nicht einordnen“, kann ein Zugang entstehen und eine Bereitschaft, die gültigen Rollenbilder zu hinterfragen.

Du hast unter anderem Philosophie studiert, warst Inhaber einer Medienagentur und hast ein eigenes Theaterstück geschrieben. Hast du in der Musik nun deine Berufung gefunden oder reizen dich weiterhin auch andere Projekte?


Ich würde „Schreiben“ als meine Leidenschaft bezeichnen. Dabei ist es gar nicht vorrangig wichtig, WAS ich schreibe, ob es nun Songtexte, Drehbücher, Theaterstücke oder Kurzgeschichten sind – mir macht es Spaß, mit Sprache zu experimentieren und emotionale Entwicklungen nachzuvollziehen. Sofern es in der Zukunft für mich möglich ist, würde ich mich gern auch in anderen Bereichen der Kultur ausleben und wieder Theater machen oder an einem Film mitwirken.

 

Bonusfrage: In deinem neuesten Song „Rote Linien“ sprichst du über die Kategorisierung von Menschen anhand gesellschaftlicher Kriterien wie Herkunft, Geschlecht oder Bildungsgrad. Was glaubst du, was einen Menschen zum Menschen macht?

Viele tausend Jahre Philosophiegeschichte kann ich nicht in einer kurzen Antwort zusammenfassen und würde ich mir auch nicht anmaßen – aber vielleicht kann ein produktiver Denkansatz sein zu hinterfragen, wer denn davon profitiert, diese Frage immer wieder so zu beantworten, dass möglichst viele Kategorien von Menschen entstehen. Ich behaupte, dass dies vor allem dabei hilft, Herrschaftsstrukturen zu festigen und Dominanz auszuüben. Ich möchte Unterschiede nicht negieren, sondern mich nur dagegen wehren, diese zur Grundlage meines Umgangs mit anderen Menschen zu machen.

 

Du möchtest CONNY live auf der Bühne erleben? Auf unserem Portal findest du aktuelle Konzert- und Tourtermine des Künstlers. Besuch auch gerne unsere Facebook– und Instagramseite, um immer auf dem Laufenden zu bleiben.

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Evita

Seit 2020 bin ich Teil der Reservix-Familie. Wenn ich nicht für das Ticketmagazin schreibe, beschäftige ich mich mit Musiknoten und besuche gerne Konzerte. Ansonsten träume ich davon weiter, die nächste große weltberühmte Diva zu werden.