Die feinen Unterschiede: Schlager vs. Ballermann

Wir alle kennen die Situation: Die Party erreicht so langsam ihren siedenden Höhepunkt und endlich legt der DJ Schlager auf. Während die einen begeistert und aus voller Kehle mitsingen, flüchten die anderen von der Tanzfläche. Keine Frage, kaum ein Genre polarisiert die Massen so wie Schlager. Oder nennt sich das Ballermann? „Ist doch ein und dasselbe“, sagst du und mit dieser Meinung bist du nicht allein. Um mit diesem weit verbreiteten Irrtum aufzuräumen, erklären wir dir hier die feinen Unterschiede – Schlager vs. Ballermann.

Das Vorurteil

Schlagermusik und Ballermann sind seit jeher einem ganzen Bündel an Vorurteilen ausgesetzt. Da heißt es: „Schlager ist Musik für alte Leute!“ oder „Ballermann-Sound hören nur pöbelnde Party-Massen!“ Doch besonders ein Vorurteil hält sich hartnäckig: Ballermann und Schlager, das klingt alles gleich. Warum dieses Urteil vollkommen falsch ist, erfährst du jetzt.

Schlager

Es ist nicht gerade einfach, Schlagermusik zu definieren. Das liegt vor allen Dingen an der langen Geschichte des Genres, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Als der erste Schlager der Geschichte gilt der 1867 uraufgeführte Walzer „An der schönen blauen Donau“ von Johann Strauss. Mehr als 150 Jahre sind seitdem vergangen und haben ihre Spuren im Schlager hinterlassen. Unvergessen sind die 1920er-Jahre, als Marlene Dietrich und die Comedian Harmonists den Schlager in die heimischen Wohnzimmer brachten. Oder das Italien-Fernweh der Nachkriegszeit, das in Liedern wie „Caprifischer“ von Rudi Schuricke zum Ausdruck kam.

Auch wenn sich der Schlager in der Folgezeit von der aufkommenden Pop-Musik abwandte und seinen eigenen Wege ging, blieb er noch bis in die 1970er-Jahre erfolgreich. Sein Markenzeichen waren die durchweg in deutscher Sprache verfassten Texte. In diese Zeit fallen auch Lieder mit bemerkenswert politischem und sozialkritischem Inhalt. So liehen beispielsweise Udo Jürgens und Conny Froboess mit Liedern wie „Griechischer Wein“ und „Zwei kleine Italiener“ Gastarbeitern ihre Stimme. Unvergessen ist auch Juliane Werdings „Am Tag, als Conny Kramer starb“, das Drogensucht thematisiert. Als dann schließlich die Neue Deutsche Welle dem Schlager auch noch sein letztes Refugium, die deutsche Sprache, streitig machte, flüchtete der Schlager zur Volksmusik. Hier sorgten besonders Künstler wie Florian Silbereisen oder Hansi Hinterseer für Begeisterung.

Vieles davon ist auch heute noch in der ganzen Bandbreite des Schlagers zu hören. Da gibt es zum Beispiel Max Raabe, der mit seinem unnachahmlichen Charme den Schlager der 1920er-Jahre wiederbelebt. Oder Andreas Gabalier, der mit Reibeisenstimme und Gitarre eine Mischung aus Rock- und Volksmusik bietet. Zwar kann die Szene nicht an die politischen Themen der 1960er-Jahre anknüpfen, doch mit der Musik von Stars wie Beatrice Egli, Helene Fischer oder Vanessa Mai wird der Bruch zwischen Pop und Schlager endgültig aufgehoben.

Ballermann

Wer schon mal an der Playa de Palma war und mit einem langen Strohhalm Sangria aus Eimern gezischt hat, wird auch einen ganz bestimmten Sound im Ohr haben: tiefe Bässe, elektronische Klänge und eingängige Melodien. Ballermann-Musik, das wird schon durch den Namen klar, ist mehr als nur Musik. Sie ist der Soundtrack für den perfekten Urlaub am Lieblingsstrand der Deutschen. Sie ist das in Musik gegossene Lebensgefühl, das sich bei Sonne, Strand und Palmen einstellt. Manche mögen das plump finden, doch eigentlich ist die Musik am Ballermann so, wie sie sein sollte: direkt, schnörkellos, mitreißend.

schlager club

Als Pionier der Szene gilt Jürgen Drews, der sich mit Fug und Recht „König von Mallorca“ nennen darf. Während man seine Musik weitestgehend noch dem Schlager zuordnen kann, haben Stars wie Mickie Krause den typischen Ballermann-Sound geprägt. Hier ist von Orchester, Swing oder Pop nichts mehr zu hören. Stattdessen animieren Eurodance-Klänge und dröhnende Bässe zum Tanzen. Und der Vielfalt der Schlager-Texte stehen hier zwei zentrale Themen gegenüber: Party und Mallorca – am besten beides zusammen. Diese magische Verbindung wird in Hits wie Mia Julias „Mallorca (Da bin ich daheim)“ zur Perfektion gebracht. Darin wird deutlich, dass es dort, wo sich Menschen treffen, um im gemeinsamen Urlaub zu feiern, keine tiefgründigen Songs braucht. Es geht um klare Botschaften und ordentlich Power.

Im Vergleich

Sicher, so ganz lassen sich Ballermann und Schlager nicht trennen. Schließlich fühlen sich Musiker wie Jürgen Drews oder Dieter Thomas Kuhn in beiden Lagern zuhause. Selbst Mickie Krause hat sich im Schlager versucht, bevor er mit Hits wie „Geh mal Bier hol’n“ den Ballermann zum Beben brachte. Doch es wurden auch Unterschiede deutlich: Während sich der Schlager mittlerweile zwischen volkstümlicher Musik und Pop eingependelt hat, tobt sich der Ballermann vorwiegend in elektronischen Sounds aus. Auch inhaltlich gehen beide Stile teilweise weit auseinander. Der Ballermann gibt in gewisser Weise die Texte schon vor, im Schlager ist die Bandbreite etwas weiter gefasst.

Was beide Spielarten eint, ist der durchschlagende Erfolg. Helene Fischer, die Galionsfigur des deutschen Schlagers, zählt zu den bestverdienenden Musikerinnen weltweit. Von der Elbe bis an die Isar, vom Erzgebirge bis in den Pott füllen sie und andere Schlagerstars ganze Stadien. Doch auch der Ballermann hat sich längst vom fernen Strand in die Bundesrepublik gewagt. Egal ob beim Aprés-Ski in Ischgl oder im Kölner Karneval – Songs von Markus Becker oder Tim Toupet dürfen auch hier nicht fehlen.

Fazit

Schlager und Ballermann sind überall dort zu hören, wo Menschen gemeinsam feiern und das Leben in vollen Zügen genießen. Manchmal fällt es in dem ganzen Trubel schwer, die Grenzen zwischen beiden Musikrichtungen zu ziehen. Wahrscheinlich ist das auch gar nicht so wichtig, solange du trotzdem eine schöne Zeit hast. Nur eine Sache sollte nun klar sein: Schlager und Ballermann sind nicht ein und dasselbe.

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Tilman

Seit 2013 bin ich Teil des Reservix-Teams. In meiner Freizeit versuche ich, das Runde ins Eckige zu schießen. Nebenher studiere ich – aber nur so lange, bis mich endlich Jogi Löw anruft.