Es gibt für jeden von uns Weihnachtssongs, die wie eine Instant-Weihnachts-Infusion wirken: Die erste Note erklingt und fertig ist die besinnliche Stimmung. Das wissen auch Musikerinnen und Musiker und kaum Künstlerinnen und Künstler haben noch nicht ihren Teil zum musikalischen Weihnachtsfest beigetragen. Aber was macht diese Lieder zum Hit und was macht den Hit zum Klassiker? Wir haben einige bekannte Songs auf Herz und Nieren geprüft.
Last Christmas – Wham
Klassiker-Status: Unbestritten, aber mit zweifelhaftem Ruhm. Laut vierundzwanzig unabhängigen Meta-Studien ist Last Christmas der nervigste Weihnachtssong aller Zeiten. Wenn die ersten Takte des Liedes erklingen, fliegen oft Radios aus geschlossenen Fenstern und sogar Mitglieder des Friedenscorps geraten in Rage. Andere wiederum sagen, der Song „gehöre einfach zur Vorweihnachtszeit dazu“. Das sind allerdings die gleichen Leute, die es okay finden, dass im August schon Spekulatius in den Regalen stehen.
Story: Obwohl es niemand hören will, kennt die Geschichte des Liedes jeder: George Michael, damals noch mit 80er-Jahre-Gedächtnismatte, gab sein Herz im letztjährigen Weihnachten einem Mädchen (als ob). Das gab es am nächsten Tag zurück wie ein Paar braunmelierte Socken oder eine Krawatte mit Entenmuster. Trotzdem will George sein Glück wieder versuchen – ob das von Erfolg gekrönt ist, bleibt offen.
Nachahmer: Gecovert wurde der Song über zwanzigmal, unter anderem von Ariana Grande, Guano-Apes-Frontfrau Sandra Nasic und Carly Rae Jepsen. Vielleicht hat sich der Typ aus „Call me Maybe“ ausgerechnet an Weihnachten bei ihr gemeldet.
Was dazu passt: Flauschige Babykatzen, Luftbläschenfolie und alles, was sonst noch beruhigt.
Driving Home for Christmas – Chris Rea
Klassiker-Status: Definitiv A+++. Mit Chris Rea ist schon jeder gefahren, geflogen, gelaufen oder hat sich nach Hause gebeamt. Das war am Anfang nicht zu erwarten, denn der Song blieb nach der Veröffentlichung erfolglos. Erst einige Jahre später gelangte die Single über Veröffentlichungen auf Weihnachtsalben zu Weltruhm. Chris Rea wurde zum Schutzpatron aller, die an den Feiertagen um einen Besuch bei der Familie nicht herumkommen.
Story: Vordergründig geht es um den siebten Kreis der Hölle aller Pendlerinnen und Pendler: den Verkehrsstau. Abgaswolken, beschlagene Scheiben, schlechte Laune und Vorankommen in Zentimeterschritten sind die Zutaten dieser Szenerie. In Chris Reas Song werden diese ehernen Gesetze jedoch aufgebrochen. Statt zu hupen, sich aufzuregen oder die Fahrer vor einem anzupöbeln (wie es im Straßenverkehr seit der Pferdekutsche Sitte ist), erfährt der Autofahrer eine Art Katharsis und erkennt sich selbst in seinem Nebenmann. Das ist schon fast philosophisch – oder gewollt christlich.
Nachahmer: Auch andere wollten nach Chris Rea in das fahrende Auto springen, blieben dabei aber im Schatten des Originals. Howard Carpendale versuchte sich ebenso an dem Klassiker wie die Rock ’n’ Roller The Baseballs oder Schlagerstar Helene Fischer.
Was dazu passt: Eine Packung Schnapspralinen, eine Thermosflasche mit heißem Tee und eine Sitzheizung.
All I Want for Christmas Is You – Mariah Carey
Klassiker-Status: Spätestens seit dem Film „Tatsächlich … Liebe“ – dort gesungen von der beneidenswert talentierten und erst elfjährigen Olivia Olson – ist der Song in aller Ohr. Der Hit von Oktaven-Wunder Mariah Carey wurde allerdings schon fast zehn Jahre zuvor veröffentlicht. Mit der Digitalisierung der Musikwelt brachte er es schließlich zu kommerziellem Erfolg. Letztes Jahr brach das poppige Sehnen nach dem einen „You“ sogar den Rekord des meistgestreamten Songs innerhalb von 24 Stunden: 1,17 Millionen Mal wurde das Lied an Heiligabend gespielt.
Story: Schluss mit dem Kommerz, den Geschenken und ellenlangen Wunschlisten diverser Spielzeug-, Schmuck- und Elektronikhersteller: Es geht nur um die Liebe und die Lieben, die an den Feiertagen auf einen warten. Dass ausgerechnet Mariah Carey als Luxus-Mädchen der Musikindustrie die Abkehr von materieller Präsentflut predigt, ist eigenwillig. Aber wer will sich Weihnachten schon von Moral zerstören lassen?
Nachahmer: Abgesehen von diversen Versuchen bei YouTube und Olivia Olsens Filmversion gibt es keine nennenswerten Kopien. Kein Wunder – an Lieder von Mariah Carey traut sich niemand heran, mittlerweile nicht einmal mehr Mariah Carey selbst.
Was dazu passt: Die DVD von „Tatsächlich … Liebe“, ein tanzender Hugh Grant und ein Kleid, in das du dich einnähen lassen musst.
Let It Snow – Frank Sinatra
Klassiker-Status: Es gibt eine Skala, darüber ist noch eine Skala, dann kommt lange nichts und irgendwann taucht Frank Sinatra mit „Let It Snow“ auf. Beinahe jeder Song der Legende ist ein Evergreen, das gilt auch für das Weihnachtslied. Es gibt keine Christmas-Playlist und keine Advents-Hitshow ohne den Song. Geschrieben wurde er 1945 von Jule Styne und Sammy Cahn, die das Stück erst Vaughn Monroe anboten. Frank Sinatra veröffentlichte nur zwei Monate nach Monroe eine eigene swing-gefärbte Version des Songs in seiner wöchentlichen Radiosendung – nachdem er an dem Tag bereits für ein neues Album im Studio gestanden und eine Konzertreihe eröffnet hatte. Business as usual für das Multitalent.
Story: In Weihnachtshits geht es um Weihnachten, ganz klar. Nicht so bei „Let It Snow“. Die Lyrics beschreiben eher ein romantisches als weihnachtliches Stelldichein zweier Verliebter, die dem rauen Wetter entfliehen und es sich mit Popcorn am Kamin gemütlich machen. Warum die eindeutig christlichen Hinweise fehlen, ist einfach zu beantworten: Die Komponisten waren jüdischer Herkunft.
Nachahmer: Frankie war selbst ein Nachahmer, aber ihm folgten viele weitere, unter anderem Ella Fitzgerald, Michael Bublé, Rod Stewart, Italo-Queen Laura Pausini und Geigerin Lindsey Stirling.
Was dazu passt: Rotwein, Feuerholz, Bärenfell … ihr wisst schon.
Wonderful Dream (Holidays Are Coming) – Melanie Thornton
Klassiker-Status: Der Song wurde für den Weihnachtswerbespot von Coca-Cola geschrieben – und steht der braunen Brause in Sachen Popularität in nichts nach. Fünf Jahre lang fuhren die winterlichen Trucks zu Melanie Thorntons voller Stimme durch die verschneite Landschaft, bevor es einen Wechsel gab, der ungeahnte Proteste hervorrief. Coca-Cola beugte sich dem Druck und spielte ab 2007 wieder „Wonderful Dream“. Aber auch durch den tragischen Tod der Sängerin erlangte der Song traurige Berühmtheit: Melanie Thornton starb 2001 bei einem Flugzeugabsturz in den Schweizer Bergen.
Story: Der Slogan „Holidays are coming“ wurde von Coca-Cola vorgegeben, ist aber eher lieblos in den Text integriert. Ansonsten geht es auch hier um Harmonie, Frieden für alle und leuchtende Kinderaugen. Immerhin bleibt der Song realistisch – und gibt zu, dass es sich dabei nur um einen schönen Traum handelt.
Nachahmer: Auch an diesen Track legten The Baseballs ihre fähigen Rockabilly-Hände – das Ergebnis ist sehr hörenswert. Ansonsten braucht der Song keine Kopien, denn seit seinen Anfängen wird er jährlich neu veröffentlicht.
Was dazu passt: Eine eiskalte Pepsi, was sonst?
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