LGBTQ+Star der Woche: Dragqueen Betty BBQ im Interview

Der diesjährige Pride Month 2022 neigt sich dem Ende zu. Damit ist es Zeit für unseren vorerst letzten LGBTQ+Star der Woche. Nachdem wir zuletzt einen Blick auf das Leben und Schaffen von Kerstin Ott, Ross Antony und Tash Sultana geworfen haben, kommt unser Star der Woche nun selbst zu Wort: Künstlerin und Dragqueen Betty BBQ hat sich die Zeit für ein Interview genommen. Mit uns spricht Sie über Heimat, den Christopher Street Day und ihre Reise als Botschafterin zur Pride Week in Tel Aviv.

Liebe Betty, Heimat spielt in deinem Leben eine entscheidende Rolle. Du selbst bist im Schwarzwald aufgewachsen und hattest es hier aber nicht immer leicht. Als Künstlerin setzt du dich für eine tolerantere Gesellschaft ein, was sich in deinem Wahlspruch „Heimat ist nicht nur schwarz weiß“ zeigt. Was bedeutet dieses Motto für dich? Und wie konntest du dir als Betty deine eigene Heimat zurückerobern?


Heimat bedeutet für mich „da, wo ich zuhause bin“. Das ist hier in Freiburg, im Umland, in der Region, da bin ich aufgewachsen, da bin ich zu Hause, da wollte ich auch nie weg. Aber natürlich ist es auf dem Land auch nicht immer einfach und ich hatte es da in meiner Kindheit und Jugend nicht leicht, weil ich immer schon anders war. Man hat mich vieles nicht machen lassen und ich konnte mich gar nicht so entwickeln, wie ich es vielleicht wollte. Durch die Kunstfigur Betty BBQ hatte ich dann tatsächlich die letzten Jahre die Chance, mir das ein klein bisschen zurückzuerobern. Jetzt bin ich tatsächlich durch Betty ein Stück Heimat geworden. Ich bin Freiburgerin, hier in der Altstadt zu Hause und ich will hier auch nicht mehr weg.

„Was will man nur? Ist das Kultur, dass jeder Mensch verpönt ist…“ – so beginnt „Das Lila Lied“. Zu seinem 100. Jubiläum hast du eine eigene Version mit der Band „Hairball Remedy“ aufgenommen. Inhaltlich geht es ums Anderssein und gesellschaftliche Ausgrenzung, ebenso aber auch um Selbstbewusstsein und Stolz. Wie aktuell ist der Song noch?


Der Song gilt ja tatsächlich als die erste Schwulen-Hymne überhaupt. Deswegen ist es auch krass, dass er jetzt schon über hundert Jahre alt ist. Das war für mich damals der Anlass, mit „Hairball Remedy“ eine neue Interpretation dieses Songs zu produzieren. Und natürlich ist der Text aktueller denn je. Die Themen vor hundert Jahren waren bereits die Themen, die heute wieder präsent sind. Klar hat sich wahnsinnig viel geändert, wir haben es durchaus einfacher als früher. Es gibt aber auch viele Dinge, die absolut noch nicht in Ordnung sind. Zum Beispiel gibt es viele Bestrebungen, wieder Schritte zurückzugehen. Da ist es unglaublich wichtig, stark zu sein, dagegen zu halten und eben weiterzukämpfen, bis wir wirklich die Akzeptanz und die gleichen Rechte haben, die uns zustehen.

Und wie sieht es mit der Akzeptanz in der queeren Community in Freiburg aus?


Ich habe beobachtet, dass es durchaus besser geworden ist. Betty BBQ gibt es jetzt mittlerweile elf Jahre. Als ich anfing, war Freiburg noch eine andere Stadt. In den letzten Jahren ist es deutlich bunter, offener und toleranter geworden. Wir haben einen Christopher Street Day, es hängen bei Geschäften und Lokalen viele Regenbogenfahnen draußen. Das hätte es vor zehn Jahren noch nicht gegeben. Freiburg hat mit mir eine eigene Dragqueen, das wäre vor zwanzig Jahren vielleicht auch noch nicht möglich gewesen. Von daher hat sich die Stadt schon sehr gewandelt. Freiburg ist tatsächlich ein offenerer und bunterer Ort geworden, was allerdings nicht heißt, dass hier alles in Ordnung sei. Also auch hier im Breisgau gibt es noch einige Baustellen.

Der Juni ist bekannterweise „Pride Month“. Was bedeutet Pride für dich und wie hast du dieses Jahr gefeiert?


Ich hab dieses Jahr den Pride Month ganz toll feiern dürfen. Ich war nämlich als Botschafterin für die Stadt Freiburg und den Freundeskreis Freiburg-Tel-Aviv-Yafo in Israel. Tel Aviv ist ja die Partnerstadt von Freiburg und ich durfte da ganz offiziell die Pride Week mitfeiern. Ich war als Botschafterin dort, inklusive Empfang in der Industrie- und Handelskammer und vor allem in der deutschen Botschaft, was eine riesige Ehre ist. Ich glaube, ich bin die erste Dragqueen, die überhaupt in der deutschen Botschaft empfangen wurde – das war wirklich cool! Für mich tatsächlich der Höhepunkt der Pride-Saison dieses Jahr, wobei es mit dem Pride Month ja erst jetzt beginnt. *Morgen feiern wir den CSD groß in Freiburg, dann ist nächste Woche Köln an der Reihe. Da stehen also noch einige Highlights auf dem Programm.

Und Pride bedeutet für mich, wie das Wort schon sagt, einfach stolz zu sein. Einerseits sehr politisch zu sein und auf Dinge aufmerksam zu machen, die so nicht in Ordnung sind, aber eben auch sich, seinen Lebensstil und das, was man erreicht hat, zu feiern. Das finde ich ganz wichtig. Man darf ja nicht immer nur sehen was schlecht ist, sondern muss auch mal stolz auf das sein, was gut ist und eben genau das bunt und laut feiern!

*Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde am 24. Juni 2022 aufgenommen

Bestimmt hast du in Tel Aviv viele Freundschaften und Kontakte knüpfen können. Stehen weitere Projekte und Kooperationen mit Tel Aviv an?


Natürlich habe ich dort viele Freundschaften geknüpft und ganz viele Leute und vor allem auch tolle Kolleg:innen kennengelernt. Dabei ist auch die ein oder andere Idee entstanden. Wir wollen auf jeden Fall auch mal eine queere Delegation von Tel Aviv nach Freiburg holen, da sind wir auch schon im Gespräch. Ich bin ganz gespannt, was daraus entsteht. Es kann nur großartig werden.

Und das Motto meiner Gruppe für den diesjährigen CSD in Freiburg wird auch die Städte-Partnerschaft sein. Genauer gesagt ist das Motto: „In Vielfalt verbunden“. Eine Stadträtin aus Tel Aviv ist zu Gast, Vertreter:innen von zwei Freiburger jüdischen Gemeinden, viele Israelis, die in Freiburg eine Heimat gefunden haben, werden dabei sein und natürlich jede Menge Freund:innen und Fans von mir. So feiern wir einfach auf der Parade die bunte Partnerschaft Freiburg-Tel Aviv. Ich durfte quasi Freiburg auf dem Pride in Tel Aviv feiern und jetzt feiern wir Tel Aviv hier in Freiburg – grenzübergreifend und schön.

Vielen jungen Menschen, die im ländlichen Raum oder auch in einem konservativen Familien- und Freundeskreis aufwachsen, haben es meist nicht leicht, sich selbst zu finden und zu ihrer eigenen Sexualität zu stehen. Was würdest du ihnen raten beziehungsweise wie kann man sie unterstützen? 


Das ist natürlich eine schwierige Frage, weil das nicht unbedingt in zwei, drei Sätzen zu beantworten ist. Ein Coming-Out und die persönliche Situation sind so individuell, wie es Menschen auf dieser Erde gibt. Und so ist, was für den einen vielleicht richtig sein mag, für den anderen verdammt falsch. Deswegen tue ich mich immer wahnsinnig schwer, Ratschläge zu geben.

Das Einzige, was ich wirklich immer sagen kann: So einsam du dir auch vorkommst, du bist tatsächlich nicht alleine. Man muss sich einfach Verbündete suchen. Menschen, die so fühlen wie man selbst, die einen verstehen. Das ist der erste Schritt. Ich glaube, ich kann immer sagen, auch wenn man eine beschissene Zeit durchmacht und die Situation nicht schlimmer sein könnte, es kann besser werden  und das wird es auch wieder. Glaub einfach an dich selbst und hab den Mut, auszubrechen.

Dann kommen wir auch schon zur letzten Frage: Was ist dein nächstes Projekt?


Es sind einige Projekte in der Pipeline, aber wie das natürlich immer so ist, kann man noch nicht drüber reden. Auf jeden Fall geht’s weiter mit meinen Stadtführungen. Und ich hoffe natürlich, dass wir in der Fasnet-Saison auch wieder richtig durchstarten können, da der ein oder andere Auftritt geplant ist. Außerdem werde ich im Herbst definitiv wieder im Studio sein, also musikalisch kommt auch bald sicher was. Betty BBQ ist noch nicht am Ende und es kommt viel Neues!

 

Vielen Dank an Betty BBQ für das Interview, es war uns ein Vergnügen! Und falls du die berühmteste Dragqueen aus dem Schwarzwald auch mal mit Bollenhut in Freiburgs Straßen treffen möchtest, dann wirf einen Blick auf ihre Stadttouren und Events. Bunte und beste Unterhaltung garantiert!

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