Die feinen Unterschiede: Voguing vs. Waacking #prideedition

Lang, lang ist es her, seitdem eine neue Episode aus unserer Kultreihe „Die feinen Unterschiede“ im Magazin erschienen ist. Dafür sind wir umso stolzer, das DFU-Comeback mit einer Sonderausgabe zu feiern. Anlässlich des Pride Months 2023 liebäugeln wir mit zwei außergewöhnlichen Tanzstilen, die sich – zumindest auf den ersten Blick – ziemlich stark ähneln. Was sind die feinen Unterschiede zwischen Voguing und Waacking?

Voguing: Strike A Pose!


Viele Assoziationen springen bei dem Begriff „Vogue“ ins Auge: das renommierte Modemagazin, New York, Madonna, die frühen 90er-Jahre. Und tatsächlich hängen all diese Komponenten irgendwie zusammen. „Voguing“ ist nämlich von den Posen der Models bei Vogue-Cover-Shootings inspiriert, tatsächlich aber auch von den antiken ägyptischen Hieroglyphen. Ganz klassisch ist dabei das Framing des Gesichts, das mit Händen und Armen erzeugt wird. Überhaupt ist die Akzentuierung synchroner Schwingbewegungen von Armen und Beinen elementar. Diese wirken teils linear oder eben teils geometrisch. Getanzt wird zu House.

 

Zuerst kam also das Modemagazin, dann der Tanzstil. Entstanden ist Voguing im New York der 60er-, 70er- und 80-Jahre, genauer: in den berühmten Harlem Ballrooms. Dort trafen sich überwiegend afro- und latein-amerikanische Drag Queens und Homosexuelle, um unter Gleichgesinnten zu sein. Die Ballroom-Community organisierte selbstbestimmt Festtagsumzüge, mit dem Ziel, den diskriminierenden Protesten von Konservativen entgegenzutreten. Sie veranstalteten aber auch private Partys, eben Balls, auf denen alle Anwesenden ihr echtes Ich erstrahlen lassen können.

Dabei wurde auch getanzt. Irgendwann ergaben sich erste Dance Competitions, bei denen verschiedene Houses gegeneinander antreten. Die Anwohnerinnen und Anwohner dieser Häuser waren LGBTQ+ Individuen, die oftmals ihre Anbindung zur Familie verloren oder selbstbestimmt die Reißleine gezogen haben. In ihrem neuen Zuhause fanden sie Anschluss, Verständnis und Respekt.

 

Renaissance des Voguing


Alle paar Jahrzehnte erlebt das Voguing eine Renaissance. Zuerst war es die Queen of Pop Madonna, die mit der Veröffentlichung ihres Mega-Hits „Vogue“ 1990 ein Revival des Tanzes auslöste. So verwundert es nicht, dass sie zu einem Idol der Community avancierte. Im selben Jahr warf auch der KultDokumentarfilm „Paris Is Burning“ neues Licht auf die Ballroom-Szene. 2009 startete die wohl größte Drag Queen unserer Zeit schließlich ihre TV-Sendung „RuPauls Drag Race“ in den USA. Darin treten professionelle Drag-Künstlerinnen und -Künstler in diversen Competitions gegeneinander an. Jede Episode, immerhin gibt es davon schon über 200, endet mit einer finalen Bühneneinlage, bei der gekonntes Voguing ein Must-do ist. 

Waacking


Kommen wir nun zu unserem zweiten Tanzstil der feinen Unterschiede. Das Waacking ist in der Los Angeles Disco- und Funkszene der 70er-Jahre aufgeblüht und hat eine wahre Evolution hinter sich. Bevor das Waacking nämlich das werden konnte, was es heute ist, gab es die Vorstufe, das sogenannte Punking. Die Bezeichnung „Punk“ wurde damals in abwertendem Sinne für homosexuelle Männer genutzt. Im Zeichen des Reclaiming wertete die Community das Wort positiv um. Punking ist ein Tanzstil, der sich in der LGBTQ+ Clubszene der 70er-Jahre entwickelte.

Eine markante Bewegung ist der sogenannte „Whack“, bei dem mit Armen und Beinen elegant in die Luft geschlagen wird. Tatsächlich stammt das Wort aus der Lautmalerei der Comic-Szene. „To whack“ bedeutet im Englischen „to strike with force“. Damals waren Comics wie Batman, Superman oder Wonder Woman extrem beliebt. Immer dann, wenn ein Superheld dem Bösewicht eine verpasst, heißt es „Whack!“, ähnlich wie „Boom“ oder „Pow“. Punking war also der Tanz, das Waacking, eine einzige Bewegung, aus der ein neuer Stil hervorging.

 

Die feinen Unterschiede


Während das Voguing in New York zustande gekommen ist, liegen die Wurzeln des Waacking in Kalifornien. Zudem unterscheiden sich die beiden Tanzstile in der Hand- und Beinarbeit einzelner Bewegungen. Wenn auch die Entstehungsorte zwei gegensätzliche Pole sind (East- und Westcoast), haben beide Tanzstile dasselbe Anliegen. In ihrem Ausdruck üben die Tänzerinnen und Tänzer eine Rebellion gegen Diskriminierung und Ausgrenzung aller Art aus. Daher sind Voguing und Waacking nicht bloß ästhetisch, sondern auch im höchsten Grade politisch.

Entstanden in einer Ära, in der die öffentliche Zurschaustellung seiner eigenen Identität kaum bis gar nicht möglich war, blieb nur der Tanz. Zu streng waren die gesetzlichen Restriktionen, die Anti-Haltung der Mehrheitsbevölkerung zu stark. So entwickelte sich eine wunderschöne Untergrundszene, in der Menschen aller Farben, sexuellen Orientierungen und (sozial-biologischen) Identitäten sie selbst sein konnten. Feiern und Tanz als eine Form des Storytelling der eigenen Wahrheit und als Befreiungsschlag gegen die Marginalisierung. In diesem Sinne: Let’s have a kiki!

 

Wenn du mehr Pride Month-Content brauchst, dann legen wir dir unsere LGBTQ+ Stars des Monats 2023 oder auch „DFU: Drag vs. Travestie“ ans Herz. Für die heißesten News aus der Welt von Kultur- und Bühnenevents, folge uns doch gerne auf Instagram und Facebook. BE PROUDER, BE LOUDER, BE YOURSELF!

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Musa

Seit 2017 bin ich Teil des Reservix-Teams. Wenn ich nicht für das Ticketmagazin schreibe, verbringe ich im flackernden Kerzenschein einsame Stunden an meiner Schreibmaschine, um humanistische Liebesgedichte und Fanbriefe an Paul McCartney zu verfassen. Gerne auch zu einem Gläschen Malzbier.